
Spielst Du? Oder der Archetyp mit dir?
Maturarbeit über Jung'sche Archetypen in Computerspielen

Fazit
Far Cry 3
Far Cry 3 ist die Geschichte eines Jugendlichen, der sich durch einen radikalen Einschnitt in seinem Leben zu einem kriegerischen Helden entwickelt.
Während die heutige westliche Welt von Männern fordert, Gefühle zu zeigen, sanft und fürsorglich zu sein, mehr Zeit für Kinder zu haben sowie auf Aggression und Gewalt zu verzichten – also „männeruntypischer“ zu werden und „unmännliche“ Dinge zu tun - kehrt dieses Spiel zu früheren Vorstellungen von Männlichkeit zurück. Der Mann als Held, welcher brutal sein und töten muss war einmal das Männlichkeitsideal. Insofern kompensiert dieses Spiel das derzeitige Idealbild von Männlichkeit in unserer Gesellschaft. Durch das heutige Männerideal verunsicherte, überforderte Männer könnten durch dieses Spiel fasziniert sein, da sie hier ungehemmt den Heldenarchetyp ausleben dürfen.
Zusammenfassung des Inhalts:
Der Jugendliche Jason kommt mit seinen Brüdern und Freunden auf einer unbekannten Insel plötzlich in Lebensgefahr. Durch die existentielle Bedrohung in einer brutalen Umgebung lernt Jason seine wahren Fähigkeiten und seinen wahren Charakter erst wirklich kennen. Er trifft auf Helfer und Feinde, meistert Schwierigkeiten und Gefahren, und wächst über sich hinaus. Er gibt nicht auf, beweist Mut und Kraft und tötet immer öfter schonungslos. Zunehmend entwickelt er seine männliche Identität als Krieger und beweist Führungsstärke. Jason rechnet damit, der Herrscher über das Inselreich zu werden und die Herrscherin zur Frau zu bekommen. Das ist das übliche „Happyend“ des Heldenschicksals.
Doch dieses Spiel fordert vom Helden eine Entscheidung für eine von zwei alternativen Wegen:
1. Der Held kann sich dafür entscheiden, sein Heldentum und das Töten aufzugeben. Er verzichtet darauf die Führung auf einer Insel zu übernehmen, die militärisch regiert wird. Das bedeutet, dass er sich für eine Rückkehr in sein früheres Leben entscheidet, sich also zu seinen Freunden und seiner Familie und den dortigen Werten bekennt.
Spieler, die sich für diesen Weg entscheiden, müssen mit ansehen, wie die Herrscherin der Insel getötet wird.
2. Alternativ kann sich der Held dafür entscheiden, mit seiner Vergangenheit, also seiner Herkunft, Familie und früheren Freunden radikal zu brechen, indem er seine Freunde tötet.
Der Held will auf der Insel bleiben, dort Herrscher werden und die Herrscherin heiraten. Doch dieser Plan misslingt: die Herrscherin tötet ihn sofort, nachdem sie vom Helden schwanger geworden ist. Die Herrscherin hat den Helden missbraucht.
Die zweite Wahlmöglichkeit scheint hochaktuell: sie erinnert an junge Männer aus der westlichen Welt, die ihre Heimatland verlassen, mit ihrer Familie und ihren Wurzeln völlig brechen, um in den heiligen Krieg für den Islamischen Staat zu ziehen. Analog dem Spiel droht ihnen häufig der Tod.
Outlast
Outlast ist ein Spiel, welches sich mit den Themen Angst, Schrecken und Grauen aber auch unmenschlichen, barbarischen Verhaltensweisen befasst. Spieler werden mit einer chaotischen Welt konfrontiert, die immer wieder fürchterliches Erschrecken hervorruft. Das Spiel scheint zu testen, ob man dieses Erschrecken aushalten kann. Die Spieler müssen sich in dieser schlimmen Welt nicht nur zurechtfinden, sondern auch ihrem Geheimnis auf die Schliche kommen. Auch hier zeigt der Protagonist, Miles Upshur, dass es den Heldenarchetyp braucht, um das rätselhafte Geschehen aufzuklären und (hoffentlich) heil aus der Situation rauszukommen.
Diesem verwirrenden und verstörenden Spiel scheinen vier archetypische Geschichten zugrunde zu liegen. Der Golem, Prometheus, der Alp und Dr. Frankenstein oder der neue Prometheus. Abgesehen vom Alp handeln die anderen drei Geschichten vom Menschheitstraum, zu werden wie Gott.
Zusammenfassung des Inhalts:
Das Spiel erzählt, dass versteckt in der Tiefe eines Berges, ein übernatürliches Wesen, der Walrider, geschaffen werden soll. Zudem finden Experimente an Menschen statt. Doch das Ganze gerät ausser Kontrolle, die Situation wird gefährlich und zerstörerisch. Das geschaffene Wesen und die veränderten Menschen, die sogenannten Varianten, verhalten sich barbarisch, unzivilisiert und sollen deshalb wieder zerstört werden.
Miles Upshur, der Held des Spieles will all das erkunden, verstehen und später der Öffentlichkeit bezeugen. Doch im Lauf des Spiels kann er nicht einfach Beobachter bleiben, sondern wird ins Geschehen hineinverwickelt, gejagt und gefoltert. Ob er überleben wird, ist ungewiss.
Die mittelalterliche Legende vom Golem erzählt genau diese Geschichte, nämlich wie es Menschen gelungen ist, aus Lehm ein lebendiges Wesen zu erschaffen. Allerdings geriet es ausser Kontrolle, und musste wieder vernichtet werfen.
Auch Dr. Frankenstein gelingt es, künstliches Leben zu erschaffen, über das er die Kontrolle verliert und das sich am Ende selbst zerstört.
Und Prometheus, der in der griechischen Mythologie als Schöpfer der Menschen gilt, wird vom obersten Gott Zeus bestraft, weil er ihnen gegen seinen Willen, das Feuer gebracht hat. Zeus bestraft Prometheus, indem er ihn ewig quält. Er kann nicht sterben, obwohl er das möchte, denn täglich frisst ein Adler ein Stück seiner Leber. Auch im Spiel Outlast gibt es das ewige Leben als Strafe und zwar für Dr. Wernicke, den Schöpfer des Walriders.
Die archetypische Parallele zum Walrider im Spiel ist der Alp. Beide sorgen für Angst und Schrecken, ein bedrückendes, unangenehmes Empfinden, das mit Todesfurcht verbunden ist. In der Sage sucht der Alp die Menschen heim, im Spiel der Walrider die Patienten der Irrenanstalt.
Pyjama Pit
Das Kinderspiel Pyjama Pit handelt von einem kleinen Jungen, der sich beim Einschlafen vor der Dunkelheit ängstigt. Das Spiel greift also ein uraltes Menschheitsthema auf, nämlich die Angst vor der Dunkelheit, die weder Kindern noch Erwachsenen fremd ist. Manche Kleinkinder können nicht ohne Licht einschlafen oder beginnen zu weinen, wenn sie alleine im Dunkeln bleiben sollen.
Dieses Spiel zeigt wie Dunkelheitsfurcht durch den Heldenarchetypen überwunden werden kann. Spieler können sich mit dem Jungen und seinen Stärken identifizieren. Er kann zum Vorbild werden und die eigene Phantasie anregen. Und das überraschende Ende ermuntert dazu, ungewöhnliche Sichtweisen zuzulassen und den Heldenarchetyp zu verlassen.
Zusammenfassung des Inhalts:
Um dies Furcht vor der Dunkelheit loszuwerden, will der Junge im Spiel den Verursacher der Dunkelheit - Herrn Dunkel - finden und einsperren. Auf seiner Suche verliert er seine Ausrüstung, trifft auf Hindernisse und Schwierigkeiten, aber auch auf Helfer und eine wohlwollende alte Frau. Er macht viele gute Erfahrungen, während er seine Ausrüstung zurückholt. Er erlebt seinen Mut und sein Können. Als er schliesslich auf Herrn Dunkel trifft, ist dieser zu seiner grossen Überraschung gar nicht so böse und gefährlich, wie er es erwartet hat. Deshalb kann der Junge seinen ursprünglichen Plan, Herrn Dunkel wegzusperren, aufgeben. Er befreundet sich mit Herrn Dunkel, spielt mit ihm und freut sich, Herrn Dunkel am nächsten Abend wieder zu treffen.
Schlussfazit & Überlegungen
Unsere Maturarbeit hat uns auf einige neue Fragestellungen gebracht.
In all unseren Spielen geht es um junge, männliche Helden, nur wenige oder gar keine Frauen kommen darin vor.
Der Heldenarchetyp ist in allen drei Spielen entscheidend. Immer muss sich der männliche Held schwierigen Herausforderungen stellen, Probleme bewältigen und Gegner besiegen.
Die Faszination des Spieles ist unserer Beobachtung nach abhängig vom Alter, der Persönlichkeit, den Sehnsüchten und Bedürfnissen des Spielers.
Wäre die Auswahl der Spiele anders verlaufen, wenn die Maturarbeit von Frauen oder älteren Personen geschrieben worden wäre?
Um diese These zu verifizieren, wäre es notwendig zu erforschen, welche Spiele in welchen Altersgruppen am häufigsten gespielt werden. Welche Spiele werden von Frauen bevorzugt? Sind dort andere Archetypen aufzufinden?
Die von uns gewählten Spiele waren voll von Archetypen. Es stellt sich die Frage, ob die Spielemacher die Anordnung der Archetypen bewusst gesetzt haben, oder ob diese Integration ins Spiel unbewusst erfolgte.
Welche Wirkung hat das Spielen auf den durchschnittlichen Spieler? Wie weit kann ein Computerspiel den Menschen verändern? Kann er zum Killer oder Amokläufer werden? Auch dies wäre eine interessante Fragestellung eines Projekts.